Stefan Kießling – Organist
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Programmbeispiele


Eine Auswahl möglicher Konzertprogramme. Ausgewählte Programme mit Tonbeispielen.
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Fantasie und Fuge g-moll

Sechs Choräle von verschiedener Art

Toccata, Adagio und Fuge C-Dur

– Pause –

Piece d'Orgue

Eine der Sonaten für Orgel

Passacaglia c-moll
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Sonate Nr. 1 in G-Dur, BWV 1027


Sonate Nr. 2 in D-Dur, BWV 1028


Sonate Nr. 3 in G-Dur, BWV 1029
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Johann Sebastian Bach
Chromatische Fantasie und Fuge d-moll, BWV 903,
für Orgel bearbeitet von Max Reger
1
Fantasie

2
Fuge


Max Reger
Sechs Trios op. 47
3
Canon

4
Gigue

5
Canzonetta

6
Scherzo

7
Siciliano

8
Fuge


Johann Sebastian Bach
Eine der Sonaten für Orgel
9
Allegro

10
Adagio

11
Allegro


Max Reger
Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46
12
Phantasie

13
Fuge
Bachs dreistimmige Sonaten für die Orgel sind allein seine Erfindung. Keinerlei Vorbilder sind dafür bekannt. Dreistimmige Orgelkompositionen gabe es zwar schon von Zeitgenossen und älteren Organisten, nicht aber zyklische, rein instrumental erfundene Werke ohne Bezug zu einer Kirchenliedmelodie. Und diese Alleinstellung behielten die hin und wieder schon im 18. Jahrhundert abgeschriebenen Werke auf lange Zeit.
Bachs Reinschrift der sechs Sonaten von etwa 1730 trägt keinen gemeinsamen Titel, sondern nennt jede der dreisätzigen Satzzyklen „Sonata à 2 Clav: et Pedal“. Eine Abschrift von der Hand seines ältesten Sohnes Wilhelm Friedemann und von Bachs zweiter Frau Anna Magdalena muß noch vor 1733 in Leipzig entstanden sein. In diesem Jahr verließ der 1710 geborene Wilhelm Friedemann Leipzig, um in Dresden seine erste Stelle als Organist der evangelischen Schloßkirchengemeinde in der Sophienkirche anzutreten.
Der dank des Kontaktes zu Bachs Söhnen gemeinhin gut unterrichtete erste Biograph Johann Sebastian Bachs, Johann Nikolaus Forkel, schrieb 1802: „Bach hat sie für seinen ältesten Sohn, Wilhelm Friedemann, aufgesetzt, welcher sich damit zu dem großen Orgelspieler vorbereiten mußte, der er nachher geworden ist. Man kann von ihrer Schönheit nicht genug sagen. Sie sind in dem reifsten Alter des Verfassers gemacht, und können als das Hauptwerk desselben in dieser Art angesehen werden.“
Da der Thomaskantor Bach in Leipzig keine Pflichten als Organist hatte, zeichnen sich seine Orgelwerke aus dieser Zeit durch einen gegenüber der Tradition freieren und unkonventionelleren Zugriff aus. Die sechs Sonaten unterstreichen diese Eigenschaft. Hin und wieder konnten ältere Triokompositionen für drei Instrumente als Vorbilder ausgemacht werden. Das mindert aber nicht ihren Rang als Orgelwerke, kam doch nun die Forderung dazu, Stimmverläufe zu entwerfen, die - gleich ob mit Händen oder Füßen gespielt - auf einander bezogen und wiedererkannt werden konnten.

Max Reger wird gern als ein „janusköpfiger“ Meister beschrieben. Einzelne Aspekte seines Komponierens sind langen Traditionen verpflichtet, andere blicken voraus. Die Paarung einer Fuge mit einem freieren Eröffnungssatz wie einer Fantasie nimmt Anleihe in der Geschichte der Orgelkomposition. Der Grundsatz, „auf jeden Akkord könne jeder beliebige Akkord folgen“, zusammen mit einer ungeheuren Beschleunigung des harmonischen Wechsels macht seine Modernität aus und läßt ihn zum Totengräber des lange bewährten Systems der Funktionsharmonik mit ihrer Hierarchie der Tonartenbeziehungen werden.
Die „Phantasie und Fuge über B-A-C-H“ op. 46 vereint alle diese Eigenschaften. Gewidmet ist sie - angeblich auf den Rat von Mutter Reger hin - Joseph Rheinberger (1839-1901), dem angesehensten Kompositionslehrer Süddeutschlands im späten 19. Jahrhundert, der selbst ein umfangreiches Werk für Orgel hervorgebracht hatte, jedoch nie im Verdacht stand, ein Avantgardist gewesen zu sein. Rheinberger lobte Reger für die Fuge, blieb der Fantasie gegenüber jedoch reserviert. Regers ungebärdiger, dionysischer Ausdruckswille stand Rheinbergers immer nobel gezügeltem romantischen Klassizismus wohl doch zu fern. Reger selbst war der Abstand zu allem bisher auf der Orgel Gewagten durchaus bewußt, wenn er Freunden gegenüber meinte, „bis an die äußerste Grenze der harmonischen u. technischen Möglichkeit“ gegangen zu sein (an Joseph Renner, 18.12.1900). Die spieltechnische Meßlatte beschrieb er selbst so: „u. Liszt muß einer gespielt haben, ehe er an meine ,Elefantenʻ gehen kann!“ (an Otto Leßmann, 14.1.1901). Was harmonisch auf den Hörer zukommt, enthüllen schon die ersten Akkorde des B-A-C-H-Motivs: es-Moll, F-Dur, c-Moll, E-Dur.
Die Fantasie steht in b-Moll, die Doppelfuge mit riesenhafter Steigerung von Lautstärke und Tempo in B-Dur. Nach einer Generalpause am Höhepunkt der Fuge zitiert Reger das B-A-C-H-Motiv des Anfangs und koppelt es mit dem zweiten Fugenthema.

Reger schrieb das Werk zwischen dem 10. und 17. Februar 1900 während seines zweiten Aufenthaltes im oberpfälzischen Weiden. Ein adäquates modernes Instrument, an dem er seine dort zahlreich entstandenen Orgelkompositionen erproben konnte, war in Weiden nicht vorhanden. Als erster Interpret stand ihm jedoch sein Freund Karl Straube, der Organist am Willibrordi-Dom im Wesel, wo die größte Orgel des Rheinlandes stand, zur Verfügung. Straube, der als Orgelvirtuose, Lehrer und Herausgeber eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Verbreitung und Interpretation von Regers Werken erlangen sollte, konnte schon Ende Juni desselben Jahres die Uraufführung - aus dem Manuskript - in Wesel melden. Max Reger hat Straube dort allerdings wohl nie gehört. Auf Straubes Einfluß gehen vermutlich die gegenüber der Reinschrift gemäßigteren Tempi des Erstdrucks zurück.
Opus 46 steht natürlich ganz unter dem Stern von Regers Bach-Verehrung: „In Bälde hoffe ich dazu zu kommen, und für Orgel eine Fantasie und Fuge über B-A-C-H zu schreiben; das muß ein Werk größten Styls und Kaliber werden!“ (25.1.1900 an Caesar Hochstetter) „ u. werde mir alle Mühe damit geben!“ (26.1.1900 an Alexander Wilhelm Gottschalg).

Phantasie und Fuge über B-A-C-H und die Sechs Trios für Orgel von Max Reger sind durch ihre Entstehung engstens miteinander verknüpft. Die Trios komponierte Reger unmittelbar vor der Bach-Hommage im Januar und Februar 1900 in Weiden und bezeichnete sie selbst als „das Gegentheil von dieser Bach-Phantasie“ (an A. W. Gottschalg, 27.2.1900). Die Werkgruppe läßt natürlich sofort an Bachs sechs Sonaten in strengem Triosatz für Orgel denken. Der Bezug zu Bach wird bei Reger auch dadurch gestiftet, daß die Trios als opus 46b, Phantasie und Fuge über B-A-C-H als opus 46a an den Aibl-Verlag in München geschickt wurden - das Paket mit vier weiteren Manuskripten wurde Reger mit 700 M honoriert. Erst im Verlag wurden die Opusnummern in die heutige bekannte Zuordnung gebracht. Das gleichzeitige Erscheinen sorgte sofort für Vergleiche beider Werke. Reger selbst urteilte: „diese Stücke sind bedeutend leichter; Pedal natürlich immer obligat; wozu hat man denn ,Beeneʻ?“ (an Gustav Beckmann, 2.2.1900), er empfahl sie als Unterrichtsmaterial „im königlichen Lehrerseminar in den oberen Kursen“ (an Karl Wolfrum, 6.10.1900). Der Rezensent der „Neuen Zeitschrift für Musik“, Friedrich L. Schnackenberg, freute sich: „,Endlich einmal etwas Leichtes von Regerʻ; so athmet wohl auf, wer nach diesem babylonischen Thurme Op. 47 in die Hand nimmt.“
Für dieses Urteil braucht es aber auch den „babylonischen Thurm“ von opus 46. Für sich genommen sind die Trios, vor allem die abschließende Fuge mit ihrer sorgfältig vorgeschriebenen Artikulation durchaus nicht anspruchslos. ,Echteʻ Trios in der Bedeutung von Bachs Sonaten, sind allerdings nur das erste und dritte Paar der sechs Stücke. Die Canzonetta an dritter Stelle ist eine vierstimmige Bearbeitung eines erfundenen cantus firmus in norddeutscher, Bachscher Manier. Das Scherzo, Nr. 4, kennt durchaus akkordische Passagen. Das Trio in der Mitte wird aber seinem Namen voll gerecht. Reger beweist, daß er seinen Bach von den Inventionen und Sinfonien bis zu den Choralbearbeitungen und Triosonaten gründlich studiert hat.
Mit der Widmung der Trios an Gerard George Bagster (gest. um 1917) bedankte sich Reger für eine günstige Besprechung seiner Werke durch den Wiener Musikkritiker und Lektor im „Musical Standard“ 1899. Die ersten beiden Stücke wurden von Karl Beringer am 1. Juli 1901 im Ulmer Münster uraufgeführt.
Karl Straube, der wichtigste Propagandist Regers in der Orgelwelt, beschrieb die Trios 1901: „Es sind dies sechs Musterstücke an Feinheit und Grazie, in welchen sogar Humor, soweit er auf der Orgel zulässig ist, zu seinem Recht kommt. Der Pathetiker Max Reger ist hier nicht zu finden, wir atmen fast die Luft der Rokokozeit. Zierlich, niedlich, wenn es sein muß, auch drollig ist diese Musik.“ Über die Zulässigkeit von Humor wird man heute anders denken, hier darf er hervortreten.
Zopf und Perücke hatte Reger schon in seinem ersten Orgelzyklus, den Drei Orgelstücken opus 7 von 1892/93 aufgesetzt, und dem Trio auf der Orgel à la Bach rückte er mit Freund Straube in der „Schule des Triospiels“ von 1903 zu Leibe, in der die beiden Bachs zweistimmige Inventionen für Orgel bearbeiteten.

Ekkehard Krüger
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Nikolaus Bruhns - Praeludium in e

Johann Sebastian Bach - Eine der Sonaten für Orgel

Antonio Vivaldi - Concerto C-Dur

Dieterich Buxtehude - Passacaglia in d

Johann Sebastian Bach - Toccata E-Dur
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Johannes Brahms - Präludium und Fuge g-moll

Johannes Brahms - Choralbearbeitungen

Hugo Distler - Choralpartita „Wachet auf, ruft uns die Stimme“

Max Reger - Choralphantasie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“
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Max Reger
1
Eine der Choralphantasien


Johann Sebastian Bach
2
Eine der Choralpartiten


Sigfrid Karg-Elert
Symphonischer Choral über „Jesu, meine Freude“ op. 87/2
3
Introduzione (Inferno)

4
Canzone

5
Fuga con Corale
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Sigfrid Karg-Elert
aus den Poesien, op. 35: Ideale
aus den Silhouetten, op. 29: Berceuse mignonne

aus der Sonatine a-moll, op. 74 für Orgel
Andante Molto

Marcel Georges Lucien Grandjany
Aria in Classic Style

Clifford Demarest
Sunset

Charles-Camille Saint-Saëns
Fantaisie op. 95 für Harfe solo

Rudolf Ewald Zingel
Legende
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Gustav Holsts Zyklus in einer Orgelbearbeitung.
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Max Reger – Phantasie über den Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme"

Hugo Distler – Partita über den Choral „Nun komm, der Heiden Heiland“


Johann Sebastian Bach – Sonate Nr. 6 G-Dur


Joseph Gabriel Rheinberger – Sonate Nr. 3 G-Dur op. 88 „Pastoralsonate“
Wenn frische Lebkuchenherzen schon im September angeboten werden und der Weihnachtsmarkt am Ewigkeitssonntag fertig aufgebaut ist, hat es der Advent schwer. Statt stiller Vorbereitung auf die Ankunft (lateinisch adventus) Christi unter den Menschen beherrscht Hektik den Alltag. Advent – die letzte Stadionrunde vor dem Weihnachtsfest? Der Kulturpessimist mag diese Entwicklung bedauern. Blickt man auf die Geschichte des Kirchenjahres, die Geschichte des Feierns im Rhythmus der Zeit, entdeckt man, dass dem Advent in den frühchristlichen Jahrhunderten ein älterer Brauch vorausging - eine Fastenzeit zwischen 11. November und Erscheinungsfest am 6. Januar. Die Grenzziehung zwischen dem Ende des Kirchenjahres und der Adventszeit, ein Einschnitt mit dem 1. Adventssonntag ist aus dieser Perspektive etwas Künstliches. Der endzeitliche Akzent, der die letzten Sonntage im Kirchenjahr prägt, ist auch noch im Advent gegenwärtig, wenn – besonders in der katholischen Leseordnung – Texte im Mittelpunkt stehen, die von der Ankunft und Wiederkehr des Messias, vom Gericht und von der endgültigen Aufrichtung des Reiches Gottes sprechen.

„Wachet auf! ruft uns die Stimme“, „Nun komm, der Heiden Heiland“, Pastorale - diese Themen oder Bilder aus dem Programm des Adventskonzerts umreißen einen größeren und älteren Zusammenhang, der in der dunklen Jahreszeit seit alters bedacht wird. Und weil die Orgelmusik nicht nur mit dem Lied verknüpft ist, sondern auch absolute Musik sein kann, in der sich ungebunden vom Wort der spielende Mensch ausdrückt, sind auch zwei ‚Klingstücke‘ – Sonaten – im Programm vertreten.
Max Reger, wie Rheinberger von Kind an mit der Orgel vertraut, hat seinem Instrument immerhin zwei, allerdings monumentale Sonaten geschrieben. Größeren Platz nehmen die in einem Zeitraum von drei Jahren entstandenen sieben Phantasien über protestantische Kirchenliedmelodien ein. Die Anregung dazu könnte Reger durch eine Phantasie über „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ (op. 25, 1895) von Karl Straubes Berliner Lehrer Heinrich Reimann erhalten haben. Durch Regers gleichaltrigen Freund Straube, den kongenialen Interpreten seiner Orgelwerke, ist dieses Repertoire stark mit der Klangästhetik und den technischen Möglichkeiten der Instrumente von Wilhelm Sauer aus Frankfurt (Oder) verknüpft. Im September 1900 komponierte Reger im heimatlichen Weiden angeblich in nur zehn Tagen die Phantasien op. 52 über „Alle Menschen müssen sterben“, „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ und „Halleluja! Gott zu loben bleibe meine Seelenfreud!“. „Wachet auf!“ beruht auf dem Text und der Melodie von Philipp Nicolai (Unna 1599). Reger widmete sein Werk „Meinem Freunde Karl Straube in herzlichster Dankbarkeit“.

In den Orgelphantasien treffen sich zwei Verfahren: die abschnittsweise Variation der barocken Choralpartiten und das durchkomponierte Lied etwa eines Hugo Wolf. Reger stellt den Liedtext dem Spieler dabei jederzeit vor Augen. „Wachet auf!“ beginnt mit einer sehr langsamen Introduzione, die von zwei Fortissimo-Ausbrüchen gegliedert wird. Bis zur Mitte der 2. Strophe steigert sich danach der Tonsatz in Lautstärke und Tempo. Zu „Nun komm, du werte Kron’“ schreibt Reger ein Adagio con espressione, quasi den langsamen Satz einer Sonate. Danach hebt eine ausgedehnte, fast
neobarocke Fuge an, die ohne Bachs Vorbild nicht zu denken ist. Nach dem Eintritt der 3. Strophe des Chorals findet der Satz seine Krönung im „Halleluja für und für“.
Regers Methode, den Gegensatz von schlichtester alter Kirchenliedmelodie und dichtem chromatischen Gewebe ins Extrem zu treiben, war für die folgende Generation verbraucht. Hugo Distler war durch Günther Ramin im Fach Orgel ein Enkelschüler Straubes und in Komposition durch Hermann Grabner auch ein Enkelschüler Regers. Mit Jahresanfang 1931 trat er die Organistenstelle an St. Jakobi in Lübeck an, da er nach dem Tod seines Großvaters sein Studium am Leipziger Kirchenmusikalischen Institut aus finanziellen Gründen abbrechen musste. So kam er in die Lage, täglich die Möglichkeiten eines der Referenzinstrumente der sogenannten Orgelbewegung erforschen zu können, denn hier stand ein seit Friedrich Stellwagens Arbeiten von 1637 kaum verändertes Instrument. „Man muß ihn am Spieltisch gesehen haben, wenn er improvisierte, wenn er seine Stücke oder etwa – was ihm besonders zu liegen schien – eine Triosonate von Bach spielte: da spürte man förmlich, wie ihm diese Musik bis in die letzten Fibern drang “ (Werner Bieske, 1952). Schon für Bach war die kleinere der beiden Jakobiorgeln, die Stellwagenorgel, aber kaum geeignet. Distler war der Auffassung, dass die alte Orgel nur dann ihre Aufgabe in der Gegenwart erfüllen könne, „wenn sie sich noch als zeugungsfähig genug erweist, um die zeitgenössische Produktion vor neue Ziele zu führen und sie bestimmend zu beeinflussen.“ (Vorwort zu op. 8,1). Nach fast zwei Jahren, Ende 1932, hatte Distler mit der ersten großen Partita über „Nun komm, der Heiden Heiland“ – „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ folgte 1935 – eine Antwort formuliert. Als er Ende November 1932 Paul Hindemith die Partita in Lübeck vorspielte, war dieser begeistert und wollte sofort ähnliches machen (2 Sonaten für Orgel, 1937). Harmonisch, figurativ, rhythmisch, in der Behandlung des Instruments – in vielen Parametern ging Distler damals neue Wege.

Bachs sechs Sonaten „à 2 Clav: et Pedal“ sind in einem um 1731 in Leipzig entstandenen Autograph überliefert. Die abschließende G-Dur-Sonate ist die einzige, die offenbar zur Abrundung dieser Werkgruppe von Anfang an für Orgel komponiert wurde und für die bislang keinerlei ältere Vorläufer für andere Besetzungen bekannt sind. Choralgebundene oder freie Triosätze für Orgel haben eine lange Geschichte. Bachs streng dreistimmig notierte, dreisätzige Sonaten sind jedoch etwas bis dahin völlig Neues. Die Sonaten für Orgel unterscheiden sich von gewöhnlichen Ensembletriosonaten durch die vollkommene Gleichwertigkeit der beiden Oberstimmen. Häufig, so auch in der G-Dur-Sonate, kann im ersten Satz ein aus dem Konzert entlehnter Wechsel von Solo- und Tutti-ähnlichen Abschnitten beobachtet werden. Die G-Dur-Sonate beweist ihre Sonderstellung in Bachs Triosätzen schon durch die ersten Takte, in denen beide Oberstimmen im Einklang geführt werden. Der langsame Satz der VI. Sonate fällt dadurch auf, dass die beiden gleichartigen Oberstimmen scheinbar in größter Unabhängigkeit ihrer Wege gehen und sich nur in den Kadenzen kurz aufeinander einlassen. Im Schlusssatz dominiert der fugierende Satztyp.

Es soll nicht versucht werden, für die Orgelsonaten von Johann Sebastian Bach und Josef Rheinberger einen Bezug zum eingangs beschriebenen Charakter der Advents- und Fastenzeit herbeizuzaubern. Durch Dreisätzigkeit und die Tonart G-Dur sind beide Werke miteinander verbunden. Und obwohl alle Orgelmeister spätestens seit der Bach- Renaissance im 19. Jahrhundert sich in ihrem Schaffen in irgendeiner Weise gegenüber Bach positionieren mussten, blieben Bachs sechs Orgeltriosonaten Solitäre. Für einzelne Sätze oder Abschnitte größerer Kompositionen waren Bachs konsequent dreistimmige Sonaten auch für Rheinberger, Reger und ihre Zeitgenossen Vorbild. Ähnliche mehrsätzige Zyklen in zeitgemäßer Tonsprache aber wagte niemand. Erst Komponisten wie Paul Hindemith, Hugo Distler, manche Schüler Karl Straubes schufen in antiromantischem Affekt geringstimmige Werke, deren harsche Harmonien Folge einer neu verstandenen, radikalen Polyphonie waren.

Im selben Maße, wie der neue Stil die Organisten – auch die Hörer? – begeisterte, sank der Stern der Romantiker, wie die Schublade für Josef Rheinberger lautet. Nicht der unbedeutendste Teil seines Lebenswerkes besteht aus zwanzig Sonaten für die Orgel. Nachdem die Sonatenform als Austragungsort eines Kampfes kontrastierender Prinzipe, Themen oder Tonartkomplexe in der Ära nach Beethoven zu größter Würde gelangt war, die Orgel aber aus dem Blickfeld der Avantgarde geraten war, traute man diesem Instrument überhaupt nicht zu, für Sonaten zu taugen. Hier den Gegenbeweis angetreten zu haben, ist Rheinbergers Verdienst.

Die G-Dur-Sonate op. 88 ist erst Rheinbergers dritter Versuch in dieser Form auf seinem ureigensten Instrument. Die Orgel hatte er bereits als Siebenjähriger in der Florinskapelle neben seinem Elternhaus in Vaduz in Liechtenstein gespielt. Am Münchener Konservatorium studierte er schon als Zwölfjähriger, und München wurde fortan die Stadt, der er seinen Aufstieg bis zum Professor für Komposition und Orgelspiel an der Kgl. Musikschule (1876) und zum Hofkapellmeister (1877) verdankte. Die dritte Orgelsonate entstand Pfingsten 1875, kurz vor den Berufungen auf die Spitzenämter, und ist seinem allerersten Lehrer und Entdecker Sebastian Pöhly gewidmet.
In den Orgelsonaten experimentierte Rheinberger mit den unterschiedlichsten Satzmodellen und Formschemata. In der dritten und vierten Sonate zitiert er überdies gregorianische Psalmtöne, altkirchliche Melodiemodelle für die Rezitation liturgischer Texte. Im 1. und 3. Satz der G-Dur-Sonate lässt Rheinberger den 8. Psalmton erklingen, kombiniert ihn im Finalsatz sogar mit Fugendurchführungen. Der Titel „Pastorale“ assoziiert weihnachtliche Hirtenmusik, beschaulich über Bordunklängen im Siciliano- Rhythmus und in b-Tonarten. Kaum etwas davon ist bei Rheinberger zu finden. Der erste Satz hebt im Fortissimo an, zwar im 12/8-Takt, aber kein Schäferidyll. Mit einer Finalfuge – in pastoralem 6/8-Takt – über einen cantus firmus aus der Tradition schließt sich damit der Kreis, der im Programm mit Regers Choralphantasie eröffnet wurde.

Ekkehard Krüger
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Sigfrid Karg-Elert – Sonatine

Johann Sebastian Bach – Eine der Sonaten für Orgel

Felix Mendelssohn Bartholdy – Eine der Sonaten für Orgel

Max Reger – Eine der Sonaten für Orgel
Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, auf der Orgel Sonaten zu spielen. Erwachsen geworden war die Orgel mit Musik für die Liturgie der Kirche. Das Abwechseln mit Sängern, die Bindung an Choral und Kirchenlied, zuletzt die Vorbereitung und Begleitung des Gemeindegesangs waren traditionelle Aufgaben, die sich nicht mit einer mehrsätzigen Sonate lösen lassen.

Die Sonate, das „Klingestück“ für Instrumente, hatte zwei Eltern: die sonata da chiesa (Kirchensonate) und die sonata da camera (Kammersonate). Da nicht immer im Ablauf der Messe gesungen wurde, hatte auch die sonata da chiesa Platz zwischen Stationen der Liturgie oder bei der Kommunion. Jetzt fehlt noch der Sprung zur Orgel.

Johann Sebastian Bach scheint hier ein Neuerer ohne unmittelbare Nachfolger gewesen zu sein. Er hinterließ eine handschriftliche Sammlung von sechs meist dreisätzigen „Sonaten“ für Orgel allein. Um 1730 notiert könnten die konsequent dreistimmigen Kompositionen durchaus der Ausbildung seines Erstgeborenen gedient haben, wie es sein Biograph Forkel nach Mitteilungen der Söhne beschrieb: „Bach hat sie für seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, aufgesetzt, welcher sich damit zu dem großen Orgelspieler vorbereiten mußte, der er nachher geworden ist.“ Unter den einzelnen Sätzen befinden sich auch solche, die ältere Wurzeln in kammermusikalischen Werken Bachs haben und nun so eingerichtet wurden, dass der Bass von zwei Füßen auf dem Orgelpedal ausgeführt werden konnte.

An Ansprüchen an Interpreten und kompositorischer Qualität kommt diesen Werken im 18. Jahrhundert kaum etwas gleich. In der Orgelmusik können wir ohne Umschweife zu den Sonaten von Felix Mendelssohn Bartholdy springen. Er gehörte zu den wenigen Musikern seiner Zeit, die Bachsche Orgelwerke öffentlich in Konzerten spielten. Soweit das auf den kleinen englischen Instrumenten damals möglich war, machte Mendelssohn auch seine Gastgeber auf der Insel mit Bachs Musik bekannt. Es dauerte nicht lange, und der Wunsch nach Orgelkompositionen wurde an ihn herangetragen. Aus in England entstandenen Orgelstücken, stark überarbeiteten Frühwerken und Reminiszenzen an Improvisationen schuf Mendelssohn 1845 in Frankfurt (Main) die sechs Sonaten für die Orgel, die er im September als op. 65 gleichzeitig in London, Paris, Leipzig und Mailand im Druck erscheinen ließ. Wie bei Bach steht „Sonate“ hier für lockere Reihen von unterschiedlichen Satztypen wie Fuge, Toccata, Fantasie oder Choralbearbeitung.

Sigfrid Karg-Elert war nur vier Jahre jünger als Max Reger. Er gehört wie Reger zu den wenigen Komponisten von Rang, die in den Jahren um den Ersten Weltkrieg die Orgel mit anspruchsvollen Werken auf der Höhe der Zeit bedachten. Karg-Elert pflegte zudem das Spiel und die Komposition für das Kunstharmonium. Sein Stil ist eng an die dynamisch flexible deutsche symphonische Orgel gebunden. Fein abgestufte Streicher- und Flötenregister, weniger die brillanten Zungen Frankreichs, müssen in vielen Abstufungen gemischt werden können. Wie der späte Reger dringt auch Karg-Elert hin und wieder in klangliches Neuland vor, ohne ein Revolutionär zu sein, jedoch nicht weit genug, um ihn vor dem Vergessen zu schützen. Das ändert sich allmählich. Der untertreibende Titel „Sonatine“ muss misstrauisch machen. Dieser ausgewachsene Zyklus ist eine schwergewichtige Sonate.

Karg-Elert, der 1919 auf den einst von Reger ausgefüllten Lehrstuhl für Komposition in Leipzig berufen wurde, konnte 1932 die USA auf einer Tournee kennenlernen. Reger, dessen Arbeitstag am liebsten 72 Stunden hätte haben sollen, hatte dazu nie Gelegenheit. Seine erste Sonate für Orgel entstand 1899, als er nach etwas ausschweifenden Jahren wieder im Schutz der Familie in Weiden lebte. Er widmete die Sonate Alexander Wilhelm Gottschalg in Weimar, der einst Franz Liszt in Sachen Orgel beraten hatte und der sich als schon 70jähriger für Regers Orgelwerke als Rezensent einsetzte. Für ihn war Reger ein „bayerischer Orgeltitan“. Die Sonate beginnt ganz barock mit einer Phantasie und Fuge und schließt mit einer Passacaglia. Dazwischen kann nur ein Intermezzo stehen. Motivische Bezüge verbinden die Sätze. Er selbst hielt die Sonate für „sehr schwer richtig ,genießbar‘ zu machen u. gehört sich schon ein sehr geistvoller Organist dazu.“
Seine zweite Sonate für Orgel folgte der ersten schon nach zwei Jahren und ging 1901 in den Druck. Inzwischen bestellten Verlage bei Reger Kompositionen. Die eröffnende Improvisation wirkt frei erfunden und widerspricht der traditionellen Form eines Sonatenkopfsatzes. Die Invocation in der Mitte läuft auf ein Zitat von Luthers Kirchenliedmelodie „Vom Himmel hoch“ zu. Introduktion und Fuge runden den düster wirkenden Zyklus ab.

Ekkehard Krüger
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Modest Mussorgskis Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ in einer Orgelbearbeitung.
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Arvo Pärt – Annum per Annum
Philipp Glass – Mad Rush
György Ligeti – Volumina
Charles Tournemire – L'Assomption
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Oskar Lindberg – Sonata in g

Arild Sandvold – Seks improvisationer

Oskar Merikanto – Konsertiifantasia

Carl Nielsen – Commotio
Der Gade-Schüler Carl Nielsen (1865–1931) ist sicher der innovativste dänische Komponist seiner Zeit, der für viele Experimente offen war. Ursprünglich Geiger, wandte er sich erst in seinen letzten Lebensjahren der Orgel zu. So entstanden eine Reihe von Praeludien und „Commotio“ op. 58 von 1930/31, die bedeutendste dänische Orgelkomposition der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Studien des altniederländischen Kontrapunkts und von Werken Palestrinas waren vorausgegangen. Die ca. 25minütige „Commotio“ wird als bewegtes Auf und Ab von fugenähnlichen Abschnitten mit toccatischen Einschüben wahrgenommen.

Oskar Merikanto (1868–1924) war für Finnland sowohl als Organist wie als Operndirigent von herausragender Bedeutung. Der in Helsinki und Leipzig ausgebildete Musiker hob die finnische Orgelkultur auf ein neues professionelles Niveau. Seine „Konserttifantasia“ stammt aus dem Jahr 1890, wo er sich u.a. in Berlin aufhielt. 1924 erschien in Leipzig ein Fassung mit zwei Trompeten und drei Posaunen im Finale. Die Fantasie besteht aus fünf Variationen über die finnische Psalmdichtung „Oi Herra, ilu suurri“, die auf Melchior Vulpius' „Ach, bleib mit deiner Gnade“ (1609) beruht.

Die schwedische Spätromantik auf der Orgel wird u.a. von Oskar Fredrik Lindberg (1887–1955) geprägt. Lindberg wirkte fast ein halbes Jahrhundert lang als Organist und Harmonielehrer in Stockholm. Mit einem Arrangement von „Gammal fäbodpsalm“ schuf er das populärste schwedische Orgelstück. Seine Sonate für Orgel in g-Moll op. 23 von 1924 besteht aus vier Sätzen. Auf eine heroisch-düstere „Marcia elegiaca“ folgt ein kurzes Adagio. „Alla Sarabanda“ überrascht mit archaisch modalen Linien. Ein hymnisches Finale schließt den Zyklus ab.

Arild Sandvold (1895–1984) kann mit Fug und Recht als ein norwegischer Karl Straube bezeichnet werden. Zweimal war er nach Leipzig gezogen, um dort u.a. bei Straube zu studieren. Als Chorleiter und Organist am Osloer Dom sowie als Lehrer prägte er viele Generationen norwegischer Kirchenmusiker, denen er vor allem auch das Werk J. S. Bachs nahebrachte. Trotz eines schmalen kompositorischen OEuvres gehören einige seiner Orgelwerke noch immer zu den meistgespielten eines norwegischen Komponisten. 1927 entstand ein Zyklus von „Seks improvisasjoner over norske folketoner“ op. 5. Die grandios angelegten Rahmensätze umschließen vier, zum Teil kurze und eher stille Liedbearbeitungen, in denen die Melodie gern auch in Tenorlage zitiert wird.
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Enjott Schneider – Ataccot

Johann Sebastian Bach – Toccata und Fuge d-moll

Marco Enrico Bossi – Scherzo

Maurice Ravel – Bolero

Maurice Duruflé – Scherzo

Wolf-G. Leidel – Toccata delectatione op. 5

Charles-Marie Widor – Adagio und Toccata aus der 5. Sinfonie
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Johann Sebastian Bachs Clavierübung Teil III. Passend zur jeweiligen Orgel kommt eine Auswahl der Stücke zur Aufführung („Große Orgelmesse“, „Kleine Orgelmesse“).
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Johann Sebastian Bach – Fantasia super „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ aus den Leipziger Chorälen

Johann Sebastian Bach – Eine der Sonaten

Dieterich Buxtehude – Zwei Choralbearbeitungen über „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“

Daniel Magnus Gronau – Choralvariationen über „Komm, Gott Schöpfer Heiliger Geist“

Maurice Duruflé – Prélude, Adagio et Choral varié sur le thème du 'Veni Creator'
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Johann Sebastian Bach - Eine der Sonaten

Carl Ph. Em. Bach – Sonate g-moll

Hugo Distler – Triosonate

Felix Mendelssohn Bartholdy – Eine der Sonaten
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Marcel Dupré - Variations sur un Noël

Dieterich Buxtehude - Magnificat Primi Toni

Johann Sebastian Bach - Einige canonische Veränderungen

Heinrich Reimann - Phantasie über „Wie schön leuchtet der Morgenstern“
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César Franck - Choral E-Dur

Charles Tournemire - L'Assomption

Charles-Marie Widor - Sinfonie Nr. 6 g-moll
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Matthias Weckmann
Toccata in a
Variationen „Die lieblichen Blicke“

Johann Pachelbel
Ciacona in f

Girolamo Frescobaldi
Toccata

Jan Pieterszoon Sweelinck
Liedvariationen

Georg Muffat
Passacaglia in g

Dieterich Buxtehude
Suite
Praeludium
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Sinfonia aus der Kantate Nr. 29

Chromatische Fantasie und Fuge d-moll, BWV 903

Chaconne d-moll, BWV 1004

Erbarm dich mein, o Herre Gott, BWV 721

Toccata und Fuge d-moll, BWV 565
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Edward Elgar – Sonate G-Dur op. 28

César – Franck Prelude, Fugue et Variation op. 18

Maurice Duruflé – Suite op. 5
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